Die politischen Landschaften Österreichs und der USA unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. In einer Dimension muss jedoch Übereinstimmung konstatiert werden: Da wie dort ist politisches Handeln in erster Linie am nächsten Wahltermin ausgerichtet. Denn Machterhalt ist das bestimmende Moment politischer Rationalität; es zeichnet sich durch Universalität aus.
Hierzulande hat die österreichische Regierung vor wenigen Tagen endgültig den verfassungsrechtlich vorgesehen Budget-Fahrplan über den Haufen geworfen: Finanzminister Josef Pröll wird den Haushalt 2011 erst am 9.Dezember dem Parlament präsentieren. Die Regierung verwehrt sich natürlich gegen die Behauptung, dass die zwei anstehenden Landtagswahlen in der Steiermark und Wien für die Verschiebung ausschlaggebend sind. Wenn man sich vor Augen führt, wie offensichtlich das Handeln politischer Entscheidungsträger allein in der jüngsten Vergangenheit durch anstehende Wahlen bestimmt war – man erinnere sich nur an die Landtagswahlen im Burgenland und den politischen Opportunismus in den Fragen Asyl-Erstaufnahmezentrum und Grenzeinsatz des Bundesheeres -, erscheint diese Behauptung als sehr unglaubwürdig.
Man darf getrost davon ausgehen, dass der verfassungsrechtlich vorgegebene Budget-Fahrplan eine wesentlich bessere Chance auf Einhaltung hätte, wenn im September und Oktober bei Landtagswahlen nicht derartig viel politische Macht auf dem Spiel stünde.
Auch in den USA ist die Diskussion über den Zustand und die Aussichten des öffentlichen Haushalts voll im Gange. Die Auseinandersetzung zwischen Republikanern und Demokraten spielt sich ebenfalls vor dem Hintergrund einer anstehenden Wahl mit großer Bedeutung ab: Anfang November stehen Midterm Elections an, bei denen 36 der 100 Sitze im Senat gewählt werden. Bis dahin werden nicht nur die jeweiligen Kandidaten für einen Senatssitz alles tun, um sich die Gunst der Wähler zu sichern. Auch die Parteien selbst richten ihre politischen Entscheidungen nach dem Zweck der Kandidatenunterstützung für die Midterm Elections aus. Für Präsident Obama, der in Beliebtheitsumfragen seit seinem Amtsantritt massive Vertrauensverluste hinnehmen musste, sind die anstehenden Senatswahlen ein Tag, an dem sich möglicherweise die Weichen für den Rest seiner politischen Karriere stellen.
In den USA vertreten Republikaner und Demokraten – wie in so vielen zentralen politischen Fragen – gegensätzliche Standpunkte: Während erstere eine radikale Sanierung des Staatshaushaltes im Rahmen einer raschen Reduktion der Staatsausgaben fordern, vertritt Präsident Obama die Position, dass die weiterhin schwächelnde Volkswirtschaft durch zusätzliche staatliche Konjunkturmaßnahmen angekurbelt werden müsse, wobei dies über die Aufnahme neuer Schulden zu bewerkstelligen sei. Die langfristigen Budgetaussichten würden sich, so die Argumentation der Demokraten, dadurch nicht verschlechtern, weil die USA a) weiterhin relativ günstig neue Schulden an den Anleihenmärkten aufnehmen können (Anm.: die Anleihenzinssätze für US-Bonds sanken zuletzt; der Zinssatz für Bonds mit einer Laufzeit von zehn Jahren liegt momentan unter drei Prozent), und weil b) das aus dem Deficit Spending resultierende Wirtschaftswachstum ein Mehr an Staatseinnahmen bringen werde, was wiederum die langfristige Budgetsituation verbessere.
Die Demokraten werden nicht müde zu betonen, dass die Diskussion über die Sanierung des öffentlichen Haushaltes nicht auf dem Rücken der Arbeitslosen ausgetragen werden dürfe. In der New York Times ist zu dem Thema Arbeitsmarktsituation zu lesen: „Members of Congress headed for a recess over the weekend having failed to agree on legislation to address the nation’s fragile employment picture, with both parties placing starkly different bets on the political consequences of their positions.”
Und dann heißt es weiter: “After lawmakers return from this week’s Independence Day recess, they will have just a month before they break for the summer. Historically, significant legislation is unlikely to pass in the late summer and early autumn before an election.”