Beim Beobachten der öffentlichen Auseinandersetzung rund um das Basel III-Regelwerk zwischen Banken und Regulierungsvertretern fällt eines ins Auge: Die Argumentationsweise der Bankenlobby unterscheidet sich in der jetzigen Diskussion kaum von den Warnungen, die schon in den Zeiten vor der Krise, als die Gewinnwelle mit neuen Finanzprodukten über die Banken hereinschwappte, ins Treffen geführt wurden.
Damals wie heute lautet das zentrale Argument der Interessenvertreter der Banken, dass scharfe Regulierungsmaßnahmen schreckliche Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft hätten. Die zukünftige Kreditvergabe an Unternehmen werde durch die neuen, verschärften Vorschriften erheblich erschwert. Die gesamte Wirtschaft würde darunter schwer zu leiden haben. Exemplarisch wird diese Haltung anhand der Meldung des Financial Services Roundtable anlässlich der Beschlussfassung für Basel III deutlich: "The Roundtable supports strengthening capital, but this must be measured against helping the economy. Every dollar of capital is one less dollar working in the economy."
Unzureichende Kapitalbuffer amerikanischer und europäischer Banken machten auf beiden Seiten des Atlantik staatliche Hilfspakete in astronomischer Milliardenhöhe notwendig. Die Behauptung der Banken, strengere Regulierungen wären eine Zwangsjacke für die hochprofitablen Finanzgeschäfte und würden sich in der Folge negativ auf die gesamte Realwirtschaft auswirken, erwies sich als absolut falsch. Das Gegenteil war der Fall: Gerade die Abwesenheit eines hinreichenden Regelwerkes zur Regulierung von riskanten Derivatgeschäften und zur Sicherstellung eines geeigneten Kapitalpolsters von Finanzinstitutionen für den Fall von Verlusten machte die Entstehung der schlimmsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 30er-Jahren erst möglich.
Ob den Bankenvertretern wohl auffällt, dass sie wenig glaubwürdig klingen, wenn sie nun mit den gleichen Drohungen daherkommen wie vor der Krise; mit Drohungen also, die sich als vollkommen verfehlt herausstellten?
Nur, um das klarzustellen: Es ist vollkommen klar, dass die Kreditvergabe von Banken an Unternehmen durch höhere Kapitalunterlegungsanforderungen berührt wird; für Unternehmen wird es dadurch bestimmt nicht einfacher, an Kredite zu kommen. Und es ist auch zu erwarten, dass die Kunden der von den Basel III-Regeln betroffenen Finanzinstitutionen für die teureren Kredite in der Form von höheren Gebühren zahlen werden müssen.
Aber trotz alledem kann man doch nicht ernsthaft in Kauf nehmen wollen, dass die Regulierungsmaßnahmen weiterhin derart lax bleiben sollen, dass die Wiederholung eines finanziellen Schocks, wie wir ihn im Herbst 2008 erlebten, in abesehbarer Zukunft sehr wahrscheinlich wäre. Außer man gehört der Finanzlobby an und will, dass alles so weitergeht wie vor der Krise: (Spekulations-)Gewinne sind für die Banken, Verluste hat der Steuerzahler zu tragen.
Die sozialen Kosten von Bailouts für Banken sind dermaßen enorm, dass einem ein kalter Schauer den Rücken hinunterläuft, wenn deren Verursacher alles in ihrer Macht stehende tun, um die Verhinderung einer Wiederholung staatlicher Rettungsaktionen in großem Stil zu torpedieren.
PS: Anbei noch ein Link zu einem Paper, das sich wissenschaftlich mit der Frage auseinandersetzt, welche Auswirkungen strengere Kapitalvorschriften für Banken auf die Wirtschaft hätten: An assessment of the long-term economic impact of stronger capital and liquidity requirements