Montag, 26. Juli 2010

Deficit Spending? Die Debatte um die Konjunkturprogramme

Die wirtschaftspolitische Interventionsmethode im Falle einer Rezession besteht laut volkswirtschaftlichen Textbüchern aus einem Absenken der Leitzinsen durch die Zentralbank und der Forcierung staatlicher Ausgabenprogramme, um die schwache private Nachfrage anzukurbeln. Die Wirtschaftspolitiker folgten auf beiden Seiten des Atlantik diesen Empfehlungen im Grundsatz: Sowohl die Federal Reserve Bank als auch die Europäische Zentralbank senkten die Leitzinsen, wobei die Fed den aggressiveren Zugang wählte, d.h. die Leitzinsen schneller und weiter absenkte. Und sowohl in den USA als auch in Europa wurden Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht, bspw. in der Form von öffentlichen Infrastrukturprojekten, der Aufrechterhaltung kommunaler Sozialleistungen, Steuersenkungen, etc.

Die konventionellen geldpolitischen Möglichkeiten sind seit längerem ausgeschöpft: Die Fed hält die Leitzinsen seit Monaten konstant bei 0,25%, die EZB bei 1%. Den Zentralbanken bleibt die Option unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen, wie z.B. das Aufkaufen giftiger Wertpapiere. Darüberhinaus ist in einer Situation, in der die Geldpolitik realen Restriktionen unterliegt, natürlich eine stimulierende Fiskalpolitik gefragt.

Der Effekt der im Zuge der Krise ergriffenen Maßnahmen des Deficit Spending blieb hinter den Erwartungen zurück. Die Arbeitslosigkeit konnte nicht im erhofften Ausmaß eingedämmt werden; der erwünschte Wachstumsimpuls hat sich bislang nicht eingestellt.

Nun gibt es jene Kritiker, die darauf beharren, dass die Konjunkturprogramme inadäquat gewesen seien: Die Programme seien in Umfang und Gestaltung hinter den Anforderungen der kritischen wirtschaftlichen Situation zurückgeblieben. Die Konjunkturprogramme hätten, so die Argumentation, einen größeren Anteil am BIP ausmachen und das Hauptaugenmerk auf solche Ausgaben legen sollen, die einen möglichst großen Multiplikatoreffekt haben. Die Wirtschaftspolitiker seien dazu angehalten, ein weiteres Konjunkturpaket zu schnüren, um der inakzeptablen Situation auf den Arbeitsmärkten entgegenzuwirken. Die Politik dürfe sich mit einer Arbeitslosenrate von 10% nicht abfinden, sondern müsse entschieden handeln.

Diese Sicht der Dinge bleibt nicht unwidersprochen. Die Meinungsgegnerschaft behauptet, dass die enttäuschenden Resultate der Konjunkturprogramme deren prinzipielles Versagen aufzeigten. Es sei unverantwortlich, weitere Konjunkturprogramme zu verlangen, wo doch die Erfahrung zeige, dass Deficit Spending nicht den Weg aus der Krise weisen könne. Es gebe keine „gemütliche Wirtschaftskrise“, wie es ein österreichischer Wirtschaftsjournalist jüngst exemplarisch formulierte. Deshalb müssten die staatlichen Ausgaben sofort drastisch gekürzt werden; die Wirtschaft müsse im Hier und Jetzt "leiden", um gewissermaßen geheilt in die Zukunft schreiten zu können und für neue Wachstumsfurore bereit zu sein: „Je schneller die Nationalstaaten ihre Haushalte in Ordnung bringen, desto stärker und wettbewerbsfähiger werden sie aus der Krise gehen und desto kräftiger wird ihr Aufschwung sein.“

Präsident Obama ist davon überzeugt, dass es richtig war, staatliche Konjunkturprogramme zu schnüren: „There's nothing we would have done differently. Now, the question that some have argued is, 'OK, what's next? Maybe you've stopped the free fall, but you still have close to 10 percent unemployment.' And, you know, this is something we wrestle with constantly.” Das wirtschaftspolitische Team Obamas wirbt dementsprechend für ein zweites Konjunkturprogramm.

In Europa hingegen scheinen die Befürworter sofortiger Ausgabenkürzungen die wirtschaftspolitische Debatte an sich gerissen zu haben: Griechenland, Irland und einige andere staatliche Pleitekandidaten verabschiedeten aufgrund des Drucks der anderen Mitgliedsstaaten sowie internationaler Institutionen wie dem IWF bereits rigorose Sparprogramme. Und das traditionell in entscheidenden wirtschaftspolitischen Fragen den Ton angebende Deutschland leitete ebenfalls bereits eine schmerzhafte Budgetkonsolidierung ein.