Das Hauptproblem anhaltender wirtschaftlicher Stagnation ist, dass die Menschen ihren Zukunftsoptimismus verlieren. Sie glauben nicht mehr daran, dass sie durch harte Arbeit ihre persönliche Situation verbessern können. Wer jahrelang die Erfahrung macht, dass die Reallöhne zurückgehen, verliert über kurz oder lang die Motivation, sich über das Normalmaß in der Arbeit zu engagieren. Beschäftigungsunsicherheit hält Einzug; die Menschen werden vorsichtiger, weil sie jederzeit mit einer weiteren Verschlechterung ihrer individuellen Lage rechnen.
Die Haushalte reduzieren ihre Ausgaben; Unternehmen schieben Investitionen auf; die um sich greifende Mentalität des Sparens und Hortens von Geld hat fatale Auswirkungen auf die Volkswirtschaft: Der Druck auf Löhne und Preise verstetigt sich, die Wachstumsflaute kann nicht überwunden werden. Hat sich die Erwartung der Verschlechterung der Lebensstandards erst einmal in den Herzen und Hirnen der Menschen festgesetzt, gehen die Voraussetzungen für wirtschaftliche Dynamik verloren: Zukunftsoptimismus und Begeisterungsfähigkeit.
Es liegen entscheidende Monate und Jahre vor uns: Für die großen Volkswirtschaften Europas und in den USA wird es darum gehen, den Einzug von Pessimismus und Fatalismus zu verhindern. Die Erfahrung, die wir mit dem Herauskommen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise verbinden, wird prägend sein. Werden wir - im Bewusstsein der Ursachen der Krise - gestärkt aus einer vorübergehenden Misere hervorgehen? Oder wird die Ansicht Raum greifen, dass die Wirtschaftskrise jenes einschneidende Erlebnis war, das eine lange Periode wirtschaftlichen Schmerzes einläutete?
Was tatsächlich auf dem Spiel steht, zeigt ein kurzer Blick nach Japan, ein Land, das seit Jahren in einer deflationären Abwärtsspirale gefangen ist. Vor zwei Jahrzehnten verband man mit Japan das unaufhörliche Streben nach Fortschritt. Heute sind weite Teile der japanischen Bevölkerung desillusioniert.
Wirtschaftliche Großmacht kommt und geht nicht über Nacht, aber auch ein schleichender Prozess kann in die Depression führen. Europas Wohlstand ist nicht in Stand gemeißelt; ebensowenig jener der USA.