Dienstag, 26. Oktober 2010

Die nächste Krise ist nur eine Frage der Zeit

Ich habe hier bereits wiederholt argumentiert, dass die bislang getroffenen Reformmaßnahmen im internationalen Finanzsystem sich sehr wahrscheinlich als unzureichend herausstellen werden. Krisen im Finanzsektor lassen sich zwar natürlich ohnehin nicht zur Gänze verhindern; kein noch so gutes Regulierungsregime kann daran etwas ändern, wie eine Beschäftigung mit der Geschichte der internationalen Finanzmärkte sehr deutlich zeigt (vgl. Rogoff und Reinhart (2009): This Time is Different. Eight Centuries of Financial Folly). Die politschen Verantwortlichen haben jedoch die Pflicht, mit entsprechenden Regulierungen sicherzustellen, dass Krisen punktueller Natur bleiben und nicht zum Flächenbrand werden. Die "Reformer" haben es bislang leider sträflich verabsäumt, dieser ihrer Regulierungspflicht zufriedenstellend nachzukommen. Die Realwirtschaft darf im Falle von schlechtem Risikomanagement einzelner Finanzinstitutionen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Das zentrale Problem in den Anreizstrukturen hat weiterhin Bestand, weil sich die Reformverantwortlichen auf beiden Seiten des Atlantik nicht gegen die Lobby der großen Finanzinstitutionen durchsetzen können/wollen. Das Risiko einer neuerlichen Systemkrise ist weiterhin gegeben, solange das Problem von Finanzinstitutionen, die als "too big to fail" gelten, nicht gelöst wird. Und die jüngsten Vorkommnisse in den USA zeigen, dass sich die Vorgehensweise bei den großen Banken, welche es meisterhaft verstehen, Regulierungen zu umgehen und die Beschleunigung von Geschäftsprozessen bis über alle Qualitätsgrenzen hinaus auszureizen, nicht ändern wird, solange kein neues Regulierungsregime in Kraft ist, das seinen Namen auch verdient.

Wir sollten uns alle Mervyn Kings Zitat des Tages zu Herzen nehmen:

The words “banking” and “crises” are natural bedfellows. If love and marriage go together like a horse and carriage, then banking and crisis go together like Oxford and the Isis, intertwined for as long as anyone can remember.


Und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.

Sonntag, 24. Oktober 2010

Wann sollte die Obama-Administration das Budget-Defizit reduzieren? Die Ansichten von Christie Romer

Christie Romer, die erst kürzlich als Vorsitzende der volkswirtschaftlichen Berater des US-Präsidenten zurückgetreten war, argumentiert in ihrem jüngsten Op-ed, dass Präsident Obama schlecht beraten wäre, sofort budgetäre Sparmaßnahmen durchzusetzen, um dem Budgetdefizit den Kampf anzusagen. Solange das Wirtschaftswachstum schwach und die Arbeitslosigkeit hoch sei, würden sich substantielle Sparmaßnahmen kontraproduktiv auswirken, da sie die langfristigen Budgetaussichten weiter verschlechtern: Romer verweist unter anderem auf eine neue Studie des IWF, derzufolge Budgetkonsolidierungen substantiell das Wirtschaftswachstum reduzieren.

Die langfristigen Budgetaussichten der USA seien, so Romer, "simply unsustainable"; dass hier gegengesteuert werden muss, stehe außer Frage. Es komme jedoch auf den richtigen Zeitpunkt der Reduktion des Budgetdefizits an, und dieser Zeitpunkt sei eben noch nicht gekommen.

Als Chairwoman of the Council of Economic Advisers gab Romer in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen die Richtung vor. Auch unter dem neuen Chairman, Austan Goolsbee, wird sich die Fiskalpolitik der Obama-Administration nicht grundlegend ändern: Man setzt weiterhin darauf, die Wirtschaft auf einen gesunden Wachstumspfad zurückzubringen, bevor man sich des Problems der Defizitreduktion annimmt.

Die Regierung in den USA wählt damit eine gänzlich andere Vorgehensweise als Großbritannien, wo Premier David Cameron all sein politisches Kapital auf die Sparkarte setzt. Die britische Wirtschaft soll an radikalen Sparmaßnahmen genesen. Dies widerspricht fundamental der Argumentation Romers, die ich oben dargelegt habe.

Martin Wolf hat sich übrigens mit den fiskalpolitischen Unterschieden zwischen den USA und Großbritannien näher auseinandergesetzt.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Was haben stagnierende Medianeinkommen mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu tun?

Dass die Finanzkrise auf den Märkten zur Hypothekenfinanzierung in den USA ihren Ausgang nahm, ist bekannt. Die Erosion der Kreditstandards führte zu einer enormen Kreditblase, die platzte, sobald die Häuserpreise zu sinken begannen, wodurch immer mehr Schuldner ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen konnten. Das Funktionieren des Kreditsystems war davon abhängig, dass die Häuserpreise immer weiter ansteigen würden - eine Annahme, die empirisch widerlegt ist. Nur weitere Preisanstiege hätten es den Kreditnehmern im Subprime-Segment möglich gemacht, zu refinanzieren.

Ich habe bereits Ende August einen Beitrag über die Rolle von Amerikas Hausbesitzern im Zuge der Entstehung der Krise geschrieben. Damals argumentierte ich:

So sehr die Manipulation und Abzocke amerikanischer Konsumenten durch unhaltbare Kreditvergabe zu kritisieren ist, so notwendig ist die Feststellung, dass ein allzu großer Teil der amerikanischen Bevölkerung bereitwillig bei diesem abgekarteten Spiel mitwirkte. Die Medianeinkommen stagnierten, und so waren Subprime-Kredite eine willkommene Gelegenheit, den eigenen Lebensstil über - nur scheinbar günstige - Kreditfinanzierung aufrechtzuerhalten. Und wer wollte nicht lieber in einem größeren, schöneren Haus in einer besseren Wohngegend leben? Die Kreditnehmer ignorierten jegliche Regung von ökonomischem Hausverstand, die sich ihnen in den Weg gestellt haben mag, und verschuldeten sich Hals über Kopf.


Anders formuliert: Sowohl die ausgiebig kritisierten Akteure der mortgage bond industry (Hypothekenfinanzierer, Investmentbanken, Ratingagenturen, ...) als auch weite Teile der amerikanischen Bevölkerung profitierten in den "goldenen Jahren" der Preis-Blase von dem System, das auf unverantwortlich niedrigen Kreditstandards beruhte. Während die Investmentbanken durch die Bündelung fauler Subprime-Kredite zu komplexen Finanzprodukten ihre Gewinne auffetteten, konnten viele Bürger aus der Unter- und Mittelschicht trotz stagnierender Medianeinkommen die Illusion aufrecht erhalten, dass sie so weiter konsumieren konnten, wie sie das aus Zeiten steigender Median-Einkommen gewohnt waren. Der freie Zugang zu Krediten für die Häuserfinanzierung machte es möglich.

Folgende Grafik zeigt auf einen Blick die Entwicklung der Verteilung von Einkommenszuwächsen in den USA für die letzten 60 Jahre:

Describing the social and economic costs of growing income inequality, economist Robert Frank explained in yesterday’ New York Times that while the first three decades after World War II were a time of broadly shared prosperity, income gains over the next three decades went almost entirely to the very wealthy. You can see the striking contrast in the graph below. ...
The chart shows the divergent trends between the rich and everyone else since the 1970s that we have analyzed in greater detail here and here. ...



Die Illusion, trotz stagnierender Einkommen den eigenen Lebensstandard aufrecht erhalten zu können, ist geplatzt. Die Aus- und Nachwirkungen sind leider verheerend.

Montag, 18. Oktober 2010

"Fraudclosure" oder: Wie einige Akteure im Finanzsektor aus der Krise exakt nichts gelernt haben

Gegen einige US-Banken wird derzeit aufgrund von Vorwürfen, dass Zwangsvollstreckungen ohne die geforderte rechtliche Bearbeitungssorgfalt durchgeführt worden sein sollen, ermittelt.

Wir erinnern uns zurück: Die Hypothekenfinanzierung lief im Zuge der Blasenbildung auf Amerikas Häusermärkten bis zum Jahr 2006 völlig aus dem Ruder. Viele Hypothekenfinanzierer nahmen in den Jahren, als rücksichtslose Geschäftspraktiken leider gang und gäbe waren, nicht die Bonität der Schuldner als Grundlage für die Gewährung von Hypothekenkrediten. Denn die Kredite wurden sofort an große Wallsteet-Banken weitergegeben, welche diese bündelten und in hoch komplexe Finanzprodukte verpackten („securitization“). Die Hypothekenfinanzierer mussten keine Verluste hinnehmen, wenn die Schulder ihren Hypothekenkredit nicht mehr bedienen konnten. Sie legten ihr Geschäft deshalb auf die Maximierung des Volumens aus. Die Folge der totalen Erosion der angewendeten Kreditstandards war, dass immer mehr Menschen mit höchst fragwürdiger Bonität sich Hypothekenkredite aufbürdeten, die sie niemals zurückzahlen werden können.

Was bislang über die Praktiken der Abwicklung von Zwangsvollstreckungen bekannt ist, erinnert frappant an dieses auf die Maximierung des Volumens ausgerichtete Hypothekengeschäft, welches die enorme Kreditblase anschwellen ließ:

Millions of homes have been seized by banks during the economic crisis through a mass production system of foreclosures that was set up to prioritize one thing over everything else: speed.

With 2 million homes in foreclosure and another 2.3 million seriously delinquent on their mortgages – the biggest logjam of distressed properties the market has ever seen – companies involved in the foreclosure process were paid to move cases quickly through the pipeline.

Law firms competed with one another to file the largest number of foreclosures on behalf of lenders – and were rewarded for their work with bonuses. These and other companies that handled the preparation of documents were paid for volume, so they processed as many as they could en masse, leaving little time to read the paperwork and catch errors. […]

The system was so automated and so inflexible that once a foreclosure process began, homeowners and consumer advocates say, there was often no way to stop it.

Barry Ritholtz argumentiert auf seinem Blog „The Big Picture“ konsequenterweise:

[...] It was a mad rush to do yet another extremely important legal and financial process recklessly: As fast and cheaply as possible.

Es zeigt sich wiederum: Die Hoffnung, dass die Finanzindustrie aus ihren Fehlern und Erfahrungen lernen wird, solange sie nicht die volle Verantwortung ihres Handelns übernehmen muss, entspringt einer großen Naivität. Die Bailouts der Großbanken übertünchten deren katastrophales Risikomanagement; Sanktionen für völlig verfehlte und rücksichtslose Geschäftspraktiken blieben weitgehend aus. Der "fraudclouse"-Fall beweist aufs Neue, dass Systeme, die sich durch verzerrte Anreizstrukturen auszeichnen, über kurz oder lang einen Outcome liefern, der für viele Mitglieder der Gesellschaft – nicht nur für die eigentlichen, oftmals ausgebeuteten Kunden – katastrophal ist.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Die Psychologie des Zukunftspessimismus

Das Hauptproblem anhaltender wirtschaftlicher Stagnation ist, dass die Menschen ihren Zukunftsoptimismus verlieren. Sie glauben nicht mehr daran, dass sie durch harte Arbeit ihre persönliche Situation verbessern können. Wer jahrelang die Erfahrung macht, dass die Reallöhne zurückgehen, verliert über kurz oder lang die Motivation, sich über das Normalmaß in der Arbeit zu engagieren. Beschäftigungsunsicherheit hält Einzug; die Menschen werden vorsichtiger, weil sie jederzeit mit einer weiteren Verschlechterung ihrer individuellen Lage rechnen.

Die Haushalte reduzieren ihre Ausgaben; Unternehmen schieben Investitionen auf; die um sich greifende Mentalität des Sparens und Hortens von Geld hat fatale Auswirkungen auf die Volkswirtschaft: Der Druck auf Löhne und Preise verstetigt sich, die Wachstumsflaute kann nicht überwunden werden. Hat sich die Erwartung der Verschlechterung der Lebensstandards erst einmal in den Herzen und Hirnen der Menschen festgesetzt, gehen die Voraussetzungen für wirtschaftliche Dynamik verloren: Zukunftsoptimismus und Begeisterungsfähigkeit.

Es liegen entscheidende Monate und Jahre vor uns: Für die großen Volkswirtschaften Europas und in den USA wird es darum gehen, den Einzug von Pessimismus und Fatalismus zu verhindern. Die Erfahrung, die wir mit dem Herauskommen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise verbinden, wird prägend sein. Werden wir - im Bewusstsein der Ursachen der Krise - gestärkt aus einer vorübergehenden Misere hervorgehen? Oder wird die Ansicht Raum greifen, dass die Wirtschaftskrise jenes einschneidende Erlebnis war, das eine lange Periode wirtschaftlichen Schmerzes einläutete?

Was tatsächlich auf dem Spiel steht, zeigt ein kurzer Blick nach Japan, ein Land, das seit Jahren in einer deflationären Abwärtsspirale gefangen ist. Vor zwei Jahrzehnten verband man mit Japan das unaufhörliche Streben nach Fortschritt. Heute sind weite Teile der japanischen Bevölkerung desillusioniert.

Wirtschaftliche Großmacht kommt und geht nicht über Nacht, aber auch ein schleichender Prozess kann in die Depression führen. Europas Wohlstand ist nicht in Stand gemeißelt; ebensowenig jener der USA.

Freitag, 15. Oktober 2010

Über die wirtschaftliche Lage in den USA. "Eine Erholung fühlt sich anders an"

In der NYT ist zu lesen:

This is not what a recovery is supposed to look like. [...]

Less than a month before November elections, the United States is mired in a grim New Normal that could last for years. [...]

Call it recession or recovery, for tens of millions of Americans, there’s little difference.

Born of a record financial collapse, this recession has been more severe than any since the Great Depression and has left an enormous oversupply of houses and office buildings and crippling debt.


Die Autoren führen sodann einige Beispiele für die als ernüchternd beschriebenen wirtschaftlichen Aussichten an; das wohl griffigste: Die Arbeitslosigkeit könnte sogar noch weiter ansteigen und auf über 10 Prozent klettern; wird der derzeitige Trend an den Arbeitsmärkten fortgesetzt, würde es weitere neun Jahre dauern, um jene Jobs zurückzugewinnen, die im Zuge der Wirtschaftskrise verlorengingen - derart langsam geht die Schaffung von Arbeitsplätzen momentan voran.

Die amerikanische Bevölkerung sollte und wird nicht verzagen; sie ist ja bekannt für ihren Zukunftsoptimismus und den Tatendrang, Verbesserungen herbeizuführen. Aber es stehen wohl ungemütliche Zeiten bevor.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Über die Beschränkung von Banker-Boni

Nachdem die Finanzkrise ausgebrochen war, machten sich Politik und mediale Öffentlichkeit auf die Suche nach den systemischen Ursachen des gerade noch und nur unter hohen gesellschaftlichen Kosten vermiedenen totalen Zusammenbruchs. Die Vergütungspraktiken großer Finanzinstitutionen gerieten rasch in die Kritik: Die Bezahlung enormer Boni für das Erreichen zweifelhafter Gewinn- und Umsatzziele fördere risikoreiches Verhalten. Die variable Vergütung insbesondere von Bankmanagern müsse demnach stärkeren Beschränkungen zugeführt werden, um hinkünftig Zielkonflikte zwischen der Ebene individuellen Strebens nach höheren Boni und jener des Unternehmensziel der Liquiditäts- und Existenzsicherung zu verhindern.

Das Committee of European Banking Supervisors (CEBS) hat mittlerweile einen Entwurf für Richtlinien betreffend die Vergütung durch Boni im Finanzsektor veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten der EU machen sich bereits daran, diese Richtlinien in Gesetze zu gießen. In Österreich sind bspw. bereits seit Mitte September Details zur Umsetzung von derartigen Boni-Beschränkungen bekannt.

Im Kern ist vorgesehen, dass Teile der variablen Vergütung a) nicht sofort, sondern erst nach Sicherstellung der Nachhaltigkeit des zugrundeliegenden Erfolges ausbezahlt ("Mindestens 40 Prozent der Boni dürfen erst nach drei Jahren ausbezahlt werden.") und b) nicht bar ausgehändigt werden dürfen ("Mindestens 50 Prozent der Boni dürfen nicht in bar, sondern in Eigenkapital-Anteilen der Bank geleistet werden.").

In der gestrigen Financial Times kritisierte ein gewisser David Benson die vorgeschlagenen Regeln der EU als fehlgeleitet:

Yet while these measures are politically popular, they are fundamentally misguided. [...]

Giving more stock can, in fact, have the reverse effect. Alan Greenspan had great faith in the assumption that shareholders in financial institutions would, through self-interest, act as corporate custodians. The problem is that stock options only have real value when they are above the strike price, the level at which the owner of share options is allowed to sell them. For investment bankers, whose options are increasingly worthless because of low share prices in their companies, it is then entirely rational for them to throw the dice and take on more risk in the hope of generating revenues that will boost their bank’s share price. That is what happened at Lehman Brothers.

So, paradoxically, the EU’s proposals are likely to create more risky behaviour rather than less.
Der Versuch, durch Bonus-Beschränkungen die Anreize für risikoreiches Verhalten im Finanzsektor zu verringern, ist löblich. Ohne eine Reform des zentralen Problems in den Anreizstrukturen wird diese Maßnahme jedoch relativ wirkungslos verpuffen.

Benson spricht einen Punkt an, der als wesentlich wichtiger anzusehen ist als das populistische Ringen um Restriktionen für horrende Banker-Gehälter: Die Gläubiger dürfen in Zukunft nicht mehr vollständig vom Staat ausbezahlt werden, wenn eine Finanzinstitution ins Strudeln gerät; auch sie sollten ihre Verluste zumindest teilweise realisieren müssen. Damit würde erreicht werden, dass die Gläubiger genauer hinschauen würden, an wen sie da eigentlich Geld verborgen und mit wem sie da Geschäfte machen: Wie hoch sind die Risiken, dass der Schuldner in Zahlungsprobleme gerät, tatsächlich?

Denn das hauptsächliche Problem in den Anreizstrukturen ist immer noch die implizite Staatsgarantie für Banken, die als "too big too fail" gelten: Gewinne dürfen sich die Institute einverleiben (Ob und in welchem Ausmaß sie diese Gewinne an ihre Mitarbeiter ausschütten, ist eine andere Baustelle.); im Falle von Verluste müssen jedoch nicht die Eigentümer und Gläubiger, sondern die Steuerzahler für verfehltes Risikomanagement geradestehen. Bevor hier nicht angesetzt wird, sind Beschränkungen von Gehältern im Finanzsektor ein Tropfen auf den heißen Stein.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Wie viele junge Menschen leben zusammen mit ihren Eltern? Daten für Europa und die USA

Für die Rubrik "Statistiken, die man unbedingt kennen muss", teilt uns Eurostat mit:

In der EU27 lebten 20% der Frauen und 32% der Männer im Alter von 25 bis 34 Jahren im Jahr 2008 mit mindesten einem ihrer Elternteile zusammen. Von diesen jungen Frauen und Männern, die noch zu Hause leben, waren 13% in der Ausbildung. Für die Altersgruppe der 18 bis 24-jährigen war der Anteil derjenigen, die bei ihren Eltern leben, erwartungsgemäß viel höher und lag bei 71% für Frauen und 82% für Männer. In dieser Altersgruppe der jungen Frauen und Männer, die im Elternhaus leben, lag der Anteil derjenigen, die sich in der Ausbildung befinden, bei 55%. Von den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 34 Jahren lebten 48% der Frauen und 36% der Männer in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.


Die Zahlen für Österreich zeigen, dass wir unter dem Durchschnitt liegen: Im Alter von 18-24 leben 66,7% der Frauen und 75,6% der Männer zusammen mit ihren Eltern; bei den 25-34-jährigen sind es 14,7% respektive 30,7%.

Eine Recherche über vergleichbare Daten für die USA führte mich zu dieser Studie aus dem Jahr 2007, wo man in der Tabelle auf Seite 24 - aufgeschlüsselt auch nach ethnischer Zugehörigkeit - nachlesen kann:

  • 20-24 Jahre: Männer 43%; Frauen 38%
  • 25-29 Jahre: Männer 19,8%; Frauen 15,9%
  • 30-34 Jahre: Männer 10,1 %; Frauen 7,9%
Daraus ist nicht nur abzulesen, dass die Frauen auf beiden Seiten des Kontintents in den genannten Altersgruppen seltener zu Hause leben als altersgleiche Männer. Es zeigt auch, dass junge Menschen in den USA offensichtlich früher ausziehen als ihre europäischen Alterskollegen (Über die Ursachen für diese Unterschiede werde ich vielleicht ein anderes Mal einen Beitrag schreiben).

Wobei sich auch in den USA - nicht zuletzt aufgrund der Wirtschaftskrise - ein Phänomen des Länger-zu-Hause-Wohnens manifestiert:

Today’s typical 22-year-old is living at home longer, is more financially insecure, and is making lower wages than previous generations. These factors contribute to a delay in the start of “adulthood" [...]

Leaving home later has been a growing trend since the 1980s, he adds, but “what the economic downturn did was it heightened it. What the economic downturn also did was it became a safe way for kids and for parents to justify living at home if they felt there was some kind of stigma with it.”

Mittwoch, 6. Oktober 2010

"Ein ziemlich schlechtes und ein sehr schlechtes Szenario" für die Aussichten der amerikanischen Volkswirtschaft

Jan Hatzius, Chefökonom bei Goldman Sachs, malt ein düsteres Bild der Aussichten für die amerikanische Volkswirtschaft im kommenden Jahr:

Hatzius, 41, said his two scenarios for the U.S. economy were “pretty bad” and “very bad.”

[...]

The economy will grow between 1 percent and 2 percent through early next year, with unemployment drifting up “to somewhere around 10 percent, maybe a little above 10 percent,” he said. In August, the jobless rate was 9.6 percent, close to the 26-year high of 10.1 percent reached in October 2009.

“It’s going to take many years before you get back to anything approaching full unemployment, and 2014 is very likely too early,” said Hatzius.

[...]

Hatzius was rated by Bloomberg Markets Magazine last year as top forecaster of the U.S. economy for the period spanning the second half of 2008 through the first six months of 2009. He and his team were also No. 1 in forecasting GDP and No. 2 in estimating unemployment and Federal Reserve changes to the fed funds rate.


Die anhaltenden volkswirtschaftlichen Turbulenzen haben auch auf realpolitischer Ebene herausragende Bedeutung: Im November stehen die Midterm Elections an, wobei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsaussichten in den jeweiligen Wahlkämpfen der gegeneinander antretenden Kandidaten von Demokraten und Republikanern idR das zentrale Thema sind.

Die Republikaner erzählen ihren (potentiellen) Wählern, die Demokraten hätten sich unter der Führung Obamas als unfähig erwiesen, die Wirtschaft wieder aufzurichten und auf einen stabilen Wachstumspfad zurückzubringen. Auf der anderen Seite argumentieren die Demokraten unisono, die Republikaner hätten mit der verfehlten Wirtschaftspolitik der Bush-Jahre die Wirtschaftskrise überhaupt erst zu verantworten; zudem hätten die unter Präsident Obama beschlossenen Krisenmaßnahmen das Schlimmste - nämlich einen vollständigen Zusammenbruch des Finanzsystems mit anschließender realwirtschaftlicher Depression - maßgeblich zu verhindern geholfen.

Es ist spannend, zu beobachten, wer sich im Kampf um die wirtschaftspolitische Deutungshoheit durchsetzen wird.